02. Juni 2019
Samstag, 25. Mai 2019 - es ist 5 Uhr in Sankt Augustin. Der Wecker reißt uns (mein Schwager und mich) aus dem Schlaf. Die Vorfreude auf den heutigen Tag besiegt schnell die vorherrschende Müdigkeit und so machen wir uns rasch auf den Weg ins 80 km entfernte Wülfrath, besser gesagt zu Schlüter's Genierssertreff. Aufgrund der Tatsache, dass es glücklicherweise nicht ganz so viele bekloppte Leute wie uns gibt, die an einem Samstag um 5:30 Uhr über die Autobahn brettern, erreichen wir unser Ziel mit einem ordentlichen Puffer. Noch schnell den örtlichen Bäcker aufgesucht, die soeben erworbenen Brötchen im Rucksack verstaut und ab zum Treffpunkt vor dem Ladenlokal. Übrigens: Einen besseren Zeitpunkt für eine Tour zu St. Kilian Distillers hätte es wohl nicht geben können, denn erst vor knapp 2 Wochen präsentierte St. Kilian ihren ersten Single Malt Whisky. Eine schöne Gelegenheit also, den neuen St. Kilian Signature One direkt vor Ort zu verkosten. Hier hatte Dirk Schlüter, Inhaber des Geniessertreffs, wirklich ein glückliches Händchen.
Mittlerweile ist es 7 Uhr. Die Sonne erhebt sich über Wülfrath und alle 30 teilnehmenden Whiskyfreunde sind pünktlich vor Schlüter's Geniessertreff eingetroffen. Die Stimmung bereits zu dieser Uhrzeit ausgelassen, von Müdigkeit zunächst keine Spur. Kurze Zeit später fährt der Bus vor, der Stehtisch und die Kisten mit Whisky werden verstaut und schon geht es los. Immerhin gilt es nun knapp 300 km Asphalt nach Rüdenau in Bayern zu bewältigen und wir sind für spätestens 12 Uhr angekündigt. Unser grandioser Busfahrer, übrigens selbst begeisterter Whiskytrinker mit einer privaten Sammlung von mehr als 1.000 Flaschen, hat bereits frischen Kaffee aufgesetzt. Hinter uns im Bus hat man sich jedoch für einen anderen Wachmacher entschieden. Hier "ploppen" bereits die ersten Flensburger Bügelflaschen, während andere sich wiederum für ein kurzes Schläfchen entscheiden. Schließlich gab es an diesem Tag noch einiges zu erleben bzw. zu verkosten!
Halb 10 in Deutschland! Raststätte Bad Camberg West - nein es gibt kein Knoppers, dafür aber jede Menge feiner Tropfen während unseres ersten Whisky-Stopps. Bei feinem Sonnenschein wir der Stehtisch aufgebaut, der Whisky und die Nosing Gläser behutsam aus dem Gepäckfach des Buses geholt. 30 mehr oder weniger (Flensburger sei Dank) trockene Kehlen fiebern dem ersten Whisky entgegen. Dirk Schlüter kredenzt als ersten Dram einen limitierten Glenallachie 2008 Single Cask (WoSM - 46%) der für 9 Jahre in einem Sherry-Butt reifte. Ein leichter und hervorragender Einstieg unseres kleinen Whisky-Frühstücks. So geht Raststättenromantik! Danach ging es fassstark weiter und dies sollte sich auch nicht mehr ändern :) Bei der nackigen Flasche, deren Labels nicht mehr rechtzeitig eingetroffen sind, handelt es sich um einen 8-jährigen Auchroisk aus einem Madeira Fass, abgefüllt mit satten 59,4% vol. Die Farbe ein Traum! Spätestens jetzt sind wir der Blickfang auf dem Rastplatz. Die Frauen aus dem soeben neben uns eingetroffenen "Kaffeefahrt"-Busses aus Belgien müssen ihre Männer zurückhalten.
Den Schlusspunkt des ersten Stopps setzt ein Deanston aus der Local Dealer Selection (2nd Edition) der für 12 Jahre in einem first-fill Sherry Butt reifte und mit satten 64% vol. abgefüllt wurde. Spätestens nach diesem Dram bzw. Wachmacher war ein gutes Level erreicht, um die Fahrt zu St. Kilian Distillers fortzusetzen. Ab jetzt rollte die Tour treu unter dem Motto "Eine Busfahrt die ist lustig, eine Busfahrt die ist schön". Gemeinsam rückte man nun dem Bestand an gekühltem Flensburger auf die Pelle.
11:30 Uhr - Direkt nach der Ortseinfahrt biegt unser Bus links auf den Parkplatz vor der Destillerie in Rüdenau ein, einem Ort, in den nur eine Straße hineinführt und in dem man wenden muss, um ihn wieder verlassen zu wollen. Wir sind weit und breit die einzigen Besucher, da die Brennerei am Wochenende geschlossen hat (noch?). Die Türen bleiben jedoch erst einmal verschlossen und die Whiskyfreunde nutzen die verbleibende Zeit, um sich das Gebäude (vormals eine Textilfabrik) von Außen anzusehen, welches in der Farbgestaltung an die Brennereien auf Islay erinnert. Schnell werden noch ein paar Erinnerungsfotos vor der Pyramide aus Fässern geschossen.
11:50 Uhr, Andre Kempf (Production Assistant & Tour Guide bei St. Kilian - die meisten dürften ihn auch von Messen kennen) öffnet die Pforten und begrüße die durstige Truppe vor der Destillerie. Andre erzählt uns zunächst die äußerst interessante Entstehungsgeschichte von St. Kilian und führt uns vorbei an den mächtigen Malzsilos ins heilige Innere der Brennerei. Das St. Kilian nach schottischem Vorbild geplant wurde und man auch den Whisky nach eben diesem erzeugt, wird gleich zu Beginn deutlich. Die vier riesigen hölzernen Washbacks (aus Oregon Pine Holz) mit einem Fassungsvermögen von jeweils 10.800 Litern schinden Eindruck und sind immer wieder schön anzusehen. Über eine Treppe nach oben gelangen wir auf eine Art Empore und passieren zum ersten Mal die riesige Pot Still, die man beim renommierten schottischen Unternehmen Forsyths bauen ließ (Wartezeit 2 bis 3 Jahre!). Unsere Aufmerksamkeit gilt jedoch zunächst dem Läuterbottich oder auch "Mashtun" mit einem Fassungsvermögen von 12.000 Litern, ebenfalls Marke Forsyths. Da am Wochenende die Destillation ruht, können wir einen Blick in das Innere des Mashtuns werfen, bevor wir nur ein paar Schritte weiter einen tollen Blick in das Innere der Washbacks werfen und am aromatischen "Wash", eine Art fruchtiges Bier (Aroma erinnert mich immer wieder an Bananenweizen) schnuppern dürfen, welcher bereits für die Destillation am folgenden Montag angesetzt wurde.
Es folgt der Auftritt der beiden kupfernen Brennblasen. Das Herzstück der Brennerei! Wer bereits eine Destillerie in Schottland besucht hat, dem wird der gläserne Metallkäfig um die linke Brennblase inklusive Spirit Safe befremdlich wirken. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sogar die einzelnen Schrauben versiegelt sind. Das Ganze nennt sich Verschlussbrennerei und ist eine Erfindung des deutschen Zolls (wie könnte es auch anders sein). Vor den imposanten Pot Stills wird dann das Gruppenfoto geschossen, bevor es wieder eine Etage runter Richtung Fasslager geht.
Der wohlriechende Duft des Angel's Shares bereitet uns einen warmen Empfang (warum hat eigentlich noch keiner Duftstäbchen Marke Angel's Share produziert?). Andre erzählt uns, dass bereits ein Teil der Fässer außerhalb der Brennerei in ehemaligen Bunkeranlagen lagert und demnächst auf dem Gelände noch ein weiteres Fasslager entstehen soll, damit man möglichst flexibel auf alle Fässer zurückgreifen kann. Auch die so genannten Private Casks, die in einem separaten Fasslager untergebracht sind, werden uns präsentiert. Hierbei handelt es sich um 30 Liter Fässer (große Fässer werden nicht mehr angeboten) aus dem Holz, der Vorbefüllung und Rezeptur, die der Käufer selbst bestimmen kann. Ein Fass ergibt dann rund 50 Flaschen des eigenen St. Kilian Whiskys.
Der genussvolle Abschluss der informativen Tour (ca. 90 Minuten) durch die einzelnen Stationen der Produktion war natürlich das abschließende Tasting im Rahmen dessen wir drei St. Kilian Spirits verkosten konnten. Als Auftakt gab es den preisgekrönten White Dog, ein fruchtig-milder New Make mit 43% vol, um zu Beginn den typischen Charakter der Brennerei zu erleben. Keine Frage der White Dog schmeckt, jedoch werde ich mit New Makes nach wie vor nicht warm. Das wird auch wohl für immer so bleiben. Übrigens - St. Kilian hat sich bewusst für den Begriff "White Dog" entschieden (Moonshiner oder ähnliches wäre natürlich auch möglich gewesen), da im Stadtwappen von Rüdenau ein weißer Hund abgebildet ist. Man pflegt halt die Verbundenheit mit der Region und das ist m.E. auch gut so!
Dann folgte der große Moment. Der brandneue St. Kilian Signature One kam ins Glas. Dieser ist der erste frei erhältliche Single Malt aus der größten Whisky Brennerei Deutschlands. Insgesamt wurden 20.000 Flaschen mit 43% vol. abgefüllt, wovon innerhalb der ersten 2 Wochen bereits knapp 10.000 Flaschen verkauft wurden, so unser Tourguide Andre Kempf. Der "One" besteht aus insgesamt fünf verschiedenen Fässern. Die Zusammensetzung wird transparent auf der Flasche im innovativen Brennblasendesign abgedruckt (37% Martinique Rhum Fässer, 37% ex-Bourbon, 18% ex-PX-Sherry-Fässer, 3% ex-Bourbon Quarter Cask und 5% aus Fässern aus deutschem Kastanienholz. Das Ergebnis ist ein fruchtiger (Äpfel und Birnen), malzig-süßer, würziger und leicht nussig-holziger unkomplizierter Whisky. Ein gelungener Auftakt, so die vorherrschende Meinung der mitgereisten Whiskyfreunde!
Bevor es wieder Richtung Bus und Heimat ging, folgte noch die letzte Tasting-Runde im Rahmen derer man die freie Wahl zwischen den verschiedenen St. Kilian Likören und dem Batch 6 oder 7 hatte.
Alkohol macht bekanntlich hungrig. Gut, dass Richtung Autobahn ein Burger King lag und zu einem Zwischenstopp einlud. Man munkelt, dass den Mitarbeitern der Filiale bereits bei Einfahrt unseres Busses auf den Parkplatz Angst und Bange wurde und zügig alle verfügbaren Grills befeuert wurden. So einen Andrang kannte man bis dato noch nicht :) Nach dem Umsatz ihres Lebens hätte die Filiale wahrscheinlich auch für die nächsten zwei bis drei Tage Sonderurlaub machen können. Nun aber wieder ab in den Bus, die Rückfahrt und vor allem Whiskystopp No. 2 ruft, für den uns Dirk rauchige Whiskys in Fassstärke versprochen hatte.
17:45 Uhr, Raststätte Landsberg an der Warthe, Parkplatz links der Toilettenhäuser. Zeit für rauchige Whiskys! Den Auftakt macht ein grandioser 12-jähriger Bruichladdich (abgefüllt für die deutsche Laddie Crew) aus einem spannenden Vosne-Romanee Weinfass, der mit seinen satten 63,9% vol. nach dem ersten Streckenabschnitt das Blut zurück in die Adern schießt und die Geister wieder munter macht. Ein toller Whisky, leider nicht mehr zu erwerben. Als nächstes gibt es einen 10-jährigen Caol Ila aus der Local Dealer Selection (2nd Edition) der in Hogsheads reifte und sein Finish für 18 Monate in Oloroso Sherry Butts erhielt (59,2%) bevor Dirk uns abschließend einen weiteren mit 55% vol. fassstarken Islay Malt (ebenfalls Caol Ila - WoSM) ins Glas schenkt.
20:20 Uhr - Ankunft in Wülfrath, die Bierbestände waren mittlerweile vernichtet. Ein grandioser Road-Trip mit einer tollen Truppe und einem klasse Gastgeber geht zu Ende. Wir ziehen noch weiter ins Dorf um das DFB-Pokalfinale zu schauen. Um 0 Uhr ist dann auch für uns Abpfiff.
Eine tolle und insbesondere top organisierte Tour mit dem wohl besten Busfahrer, der uns mit seinen lustigen Geschichten und Anekdoten während der Fahrt bestens unterhalten halt. Dirk Schlüter war ein toller Gastgeber, der eine grandiose Auswahl an Whiskys für die beiden Zwischenstopps getroffen hat! Vielen Dank auch an die geile Truppe und die ausgelassene Stimmung, die ebenso zu einer unvergesslichen Tour beigetragen hat. Wir sind auf jeden Fall wieder dabei, wenn es wieder heißt: "Eine Busfahrt die ist lustig, eine Busfahrt die ist schön"... und bekanntlich gibt es in Deutschland ja noch ein paar andere Destillerien, die besucht werden wollen :) Also lieber Dirk, ich hoffe du planst bereits die nächste Tour ;)
Von St. Kilian hätte ich mir gewünscht, dass für eine Truppe von Whiskyfreunden in dieser Größe auch ein kleines Fass für eine Distillery Only Abfüllung (handfilled) bereit gestanden hätte. Hier hätte sicherlich der ein oder andere von unserer Truppe zugeschlagen und der Besuch wäre rund gewesen.
Andi (Sonntag, 02 Juni 2019 11:55)
In den nächsten 1-2 Wochen kommt ein neuer DO, sehr lecker, wieder was ganz besonderes. Die Jungs vor Ort haben es nicht geschafft und waren / sind total beschäftigt mit derr Nachfrage nach dem One grad. Vielleicht kann euch ja mal jmd was mitbringen, wenn er in der Nähe oder auf der Durchreise ist. Auf jeden Fall toll, dass ihr den Trip gemacht habt und so eine tolle Reportage geschrieben habt!
Jens Arndt Whiskydevil (Sonntag, 02 Juni 2019 10:59)
Hi mein Freund, wieder mal ein sehr guter Bericht von dir, den ich zu 100% bestätigen kann. Ich freue mich schon auf unsere nächste Fahrt. Gruß vom Whiskydevil